Hannes Rosenow. "Hos Olivetti" København. 12. januar - 4. februar 1971, Hos Olivetti (Lersø, Parkallé 107): Kopenhagen, 1971 (Ausstellungskatalog, 39 Nrn., Vorwort von Richard W. Eichler, München)

Richard W. Eichler

Hannes Rosenow ist innerlich voller Figur.
(Frei nach Dürer).

Jeder Bildner kann nur geben, was er besitzt. Er muss etwas im Herzen, im Auge und im Handgelenk haben; wenn er überdies noch etwas im Kopf hat, umso besser. Auch sollte er keinen allzustarken Sehfehler haben, damit er sich nicht vor dem Betrachter verteidigen muss mit der gewohnten Ausrede: Aber ich sehe es doch so!

Weil Malkunst mehr ist als nur "sonntagliche Laune, dilettantisch, besinnlich, phantasieerprobend, Spannungen ableitend ..." (Willi Baumeister), gab es zu allen Zeiten stets weniger Künstler als Leinwand- und Farbenverbraucher. Unsere verwirrten, gequälten und abgestumpften Augen erholen sich, wenn sie wirklichem Bildwerk begegnen. Hannes Rosenow gehört zu der überschaubaren Gruppe der Abenteurer, die noch das Wagnis verbindlicher Aussagen eingehen.

Rosenow wurde 1925 in Ratibor/Oberschlesien geboren. Nach dem Abitur studierte er an den Akademien in Düsseldorf, Berlin, Munchen und Paris (Ecole des Beaux-Arts). 1948 bis 1953 arbeitete Rosenow in Frankreich. 1959/60 Aufenthalt Provinz Venetien und Toskana. Studienreisen führten ihn nach Italien, Jugoslawien, Griechenland, Bildnisaufträge in die Vereinigten Staaten. Der Maler ist Mitglied der Neuen Münchener Künstlergenossenschaft, hat seine Bilder in zahlreichen Ausstellungen im In- und Ausland gezeigt; viele seiner Werke befinden sich in öffentlichen und privaten Sammlungen.

Hannes Rosenow braucht nicht (wie heute üblich) zu grübeln: Mit welcher Manier könnte ich ankommen? Er trägt seinen Stil in sich, er könnte gar nicht gegenseine Handschrift arbeiten. Seine Bilder sind in dem Sinne modern, als er ein Kind unserer Zeit ist und keine bewussten Anleihen aufnimmt. Der Pseudomodernität und Scheinaktualität braucht er nicht nachzulaufen, weil er die Sicherheit hat, über persönlich-eigenstandige Aussagemöglichkeiten und handwerkliches Können zu verfügen.

In Rosenows Bildern ist nichts Unbestimmtes und Verschwommenes. Klar und herb stehen die Motive in der Fläche, ihre Anmut ist nicht Lieblichkeit, sondern Ausgewogenheit zwischen Ruhe und Spannung. Das Dekorative - bei den Gegenstandslosen einziger Reiz - ist hier untergeordneter als Farbklang oder graphischer Umriss.

Der Maler gesteht: "Das Gesicht des Menschen ist für mich immer die faszinierendste Landschaft gewesen." Das kann heute nur sagen, wer den gefährlichen Weg zwischen Skilla und Charybdis, zwischen abgemaltem Konterfei und menschenverachtender Verfremdung zu nehmen vermag. Rosenows Bildnisse haben Bedeutung nicht nur für den Porträtierten und seine Freunde, sie sind künstlerische Zeugnisse wie alle wahre Kunst.

Der Maler Rosenow hat sich nie auf ein Gebiet der Darstellung festlegen lassen. Seine Landschaften sind, in der Umkehrung des vorstehendes Vergleichs, faszinierende Bildnisse eines Naturausschnittes; keine Zufalls-Ansichten, sondern geordnete, ins Typische und Allgemeingültige gehobene Einsichten und Deutungen.

Man hatte die Malerei voreilig für tot erklärt; tot ist nur der Modernismus. Die Malerei lebt und Rosenow ist einer der Zeugen dafür.


Aus: Hannes Rosenow. "Hos Olivetti" København. 12. januar - 4. februar 1971, Hos Olivetti (Lersø, Parkallé 107): Kopenhagen, 1971 (Ausstellungskatalog, 39 Nrn., Vorwort von Richard W. Eichler, München)